PFINGSTSYMPOSION|2014|1990 - 2013|Konzept|Kontakt|ReferentInnen KünstlerInne|Förderung  



Neugier aufs Ende
Von der Kunst des Auf-Hörens










Samstag 14.Mai
Sonntag 15.Mai
Montag 16.Mai
 
Veranstaltungsort
ReferentInnen KünsterInnen
Förderungen
 



16. Pfingstsymposion München 2005



Samstag 14. Mai
Sonntag 15. Mai
Montag 16. Mai




Die knappste und kostbarste aller Ressourcen ist unsere Lebenszeit. Unserem Wissen und unserer Erfahrung aber bleibt das Lebensende entzogen. Ohne illusionäre Vergegenwärtigungen lässt es sich nicht inszenieren. In-lusio, Eintritt ins Spiel – in welches Spiel? Unterliegen wir deshalb einer Sehnsucht nach Vollendung, nach dem vollendeten Werk?

„Die Musik versteht sich aufs Ende, ... sie erreiche, paradox ausgedrückt, ihr eigentliches Dasein gerade in dem Moment, in dem sie vergangen ist“, schreibt der Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus. In ihr wirkt die verrinnende Zeitlichkeit wie aufgehoben. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft scheint die Musik im Augenblick ihres Erklingens in Übereinstimmung zu bringen. „Die Musik lässt Gegenwart wie in einem Jetzt-Fenster wahrnehmen und weitet diese zu beiden Seiten, zur Vergangenheit wie zur Zukunft, hin“, so Peter Gülke.
Arnold Schönberg hat zwischen Aufhören und Schließen, d. h. zwischen unbegründeter und begründeter musikalischer Endkonstruktion, unterschieden. Auf welche Stimme, welchen Klang hören wir beim Auf-Hören?

Die zyklische Zeit endet im Neubeginn, die lineare Zeit strebt nach Vollendung und nach unwiederbringbarer Dauer. Das Pfingstsymposion greift auch diesen Unterschied auf und stellt Fragen an einen Dirigenten, eine Musikwissenschaftlerin, einen Biochemiker und einen Literaturwissenschaftler. Ein- und Ausatem als unmittelbare Erfahrung von Anfang und Ende vergegenwärtigt eine Atemübung. Sinnliche Betrachtungsweisen zur Kunst des Auf-Hörens gibt die Art-Lecture Parole. Ein multimediales Hörstück thematisiert die Frage nach der Illusion des Endes. Voll- endete Stücke junger KomponistInnen eröffnen das Symposion.

Die Neugier aufs Ende als ein zu bestaunendes Ereignis wirft nicht die Frage nach dem Danach auf, sondern gibt Raum zum Diskutieren mit dem Publikum unter anderem über die aktuelle Frage zu Qualität oder Quantität von Lebenszeit. Das Pfingstsymposion will Neugier wecken und mögliche Antworten geben – ob es dem diesjährigen Thema letztendlich gelingen wird – ?


 
 





Samstag 14. Mai

20:00 Uhr   Begrüßung

Musik – Paradigma bejahter Vergänglichkeit
Prof. Peter Gülke

Wenn irgendwo deutlich wird, dass und inwiefern Werden und Vergehen eins sind, dann in Musik. Erklingen ist immer zugleich Verklingen. Nicht zufällig hat Augustinus das Wesen der Zeit anhand von Musik zu erklären versucht, ein mittelalterlicher Theoretiker hat sie eine „meditatio mortis“ genannt. Einerseits ist Musik der Zeit bzw. Vergänglichkeit ausgeliefert, zugleich ihr aber entzogen. Das pure Nacheinander der Ereignisse gilt hier nur bedingt, mehr als jede andere zieht die musikalische Wahrnehmung Vergangenheit und Zukunft, Erinnertes und Erwartetes in die Gegenwart hinein und bringt uns eine andere Zeitlichkeit nahe, das stehende Jetzt, die punktuell zusammengezogene Ewigkeit – jene, die die alten Griechen „aion“ genannt und dem Stunden, Tage, Jahre zählenden „chronos“ überordnet haben. Nicht zuletzt hierher rührt die besondere Unmittelbarkeit bzw. Gehobenheit, deren Musik fähig ist, das Erlebnis – in Worten eines romantischen Ästhetikers – „dass in der Empfindung eines jeden gegenwärtigen Augenblicks eine ganze Ewigkeit in unserem Gemüt hervortritt“.

ensemble oktopus
spielt Werke, die beim diesjährigen Bialas-Wettbewerb
ausgezeichnet wurden.

Echo, Ayaka Yoshikiyo
Tomoki Kirita, Trompete. Wilma Rehberg, Schlagzeug. Lukas Tinschert, Kontrabass. Sophia Steckeler, Harfe. Dmitrij Romanov, Klavier.
Hildegard Schön, Dirigentin

New York Counterpoint, Steve Reich
für Klarinette solo und Tonband
Sofija Molcanova, Klarinette

Bitterer Mond, Narine Khachatryan
Minas Koutsabasopoulos, Klavier. Olga Rexroth, Violine. Philipp Miller, Kontrabass. Johannes Potzel, Schlagzeug. Marcus Sterk, Dirigent

 

 

 

 



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Sonntag 15. Mai

10 Uhr
Über die Endspiele Samuel Becketts
Dr. Philipp Laubach-Kiani

Ein dichterisches Ganzes entsteht durch eine natürliche und notwendige Anordnung von Anfang, Mitte und Ende. Kaum ein zweiter moderner Dichter hat sich dieser auf Aristoteles zurückgehenden Minimalforderung an die Dichtkunst so radikal verweigert wie der Ire Samuel Beckett (1906-1989). Sein Werk zeichnet sich durch paradoxe Erzählsituationen und unabschließbare Handlungskonstellationen aus, durch fiktionale Versuchsanordnungen, in denen die Spannung zwischen dem Schluss eines Textes und dem (vermeintlichen) Ende seines Erzählinhalts bedeutungstragend wird. Und so lässt sich Becketts Werk auch als Versuch betrachten, eine adäquate künstlerische Form für die Richtungslosigkeit, für das Beliebige und Zufällige der modernen Welterfahrung zu finden, in der das Ende keinen Beruhigungspunkt mehr darzustellen vermag. Wie anfangen, wenn es ums Enden geht, und wie enden, wenn kein Ende absehbar ist? Diese den beckettschen Werken eingeschriebenen Fragen wird der Vortrag verhandeln, inszenieren und zur Diskussion stellen.


„... der Geste des Herstellens selbst freien Raum schaffen“
Über die Chancen neuer Musik, wenn das Endprodukt entfällt

Dr. Gisela Nauck

These: Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass Musik ohne den Regelkreis des Verkaufs gehört wird, der Musik als Ware voraussetzt. Der Warencharakter aber verlangt ein perfektes Endprodukt. Die Strukturen des gesamten Kreislaufes, in dem neue Musik zirkuliert – Komponisten, Verlage, Interpreten, Aufführungsstätten, Medien, Orte und Geräte des Hörens, die Wahrnehmungsstrukturen selbst –, orientieren sich an diesem Kreislauf, der sich längst verfestigt hat. Diese erstarrten Strukturen bilden sich in den neu entstehenden Formen von Musik ab und reproduzieren sie. Musikentwicklung stagniert, weil ihr keine freien Räume zum „Atmen“, für Experimente, zum innovativen Anderssein geblieben sind.
Anhand von zwei Situationen innerhalb der jüngeren und jüngsten Musikgeschichte sollen Alternativen und die darin verborgenen innovativen Potenziale aufgezeigt werden. Welche Chancen hat Musik, wenn sie sich dem kulturell geforderten Dasein als Endprodukt verweigert?

Mittagspause bis 15 Uhr

Zwischen Ende und Anfang – die Atempause
Quelle der Wandlung – eine Übung

Ingrid White

Jedes Atmen ist anders – nie ist es gleich. Atem, als das Fließende, das Bewirkende, das Schöpferische – da ist innendrin ein Gesetz, das es zu erfahren gilt. Es zeigt uns genau: Jetzt ist die Zeit des Ansteigens, jetzt ist die Wende, jetzt ist das Strömen, und jetzt ist Ruhe. Eine so geartete Ruhe bestimmt über mein Leben. Lasse ich es von diesem Rhythmus tragen? Finde ich wirklich in diese Pause und werde still? Dabei öffnet sich die Wesenstiefe, die Oberfläche des Tuns und Redens wird durchbrochen.

Apoptose: Der programmierte Zelltod hat eine Funktion.
Gunther Sprengel

Ein Organismus bildet sich nicht, damit alle Zellen darin gemeinsam überleben, sondern er muss sich vor allem gegen äußere Lebensbedingungen durchsetzen, damit es ihn überhaupt gibt. Die Zellen sollen dazu beitragen, und zwar nicht immer die ganze Lebenszeit. Wenn der Gesamtverband eine Zelle nicht mehr benötigt, wird sie mit dem scharfen Schwert der Apoptose nicht nur zum „Selbstmord“ veranlasst – darüber hinaus übernimmt sie das (wie jeder Krimi-Leser weiß) schwierige Beseitigen der „Leiche“ selbst.

PAROLE
Lautpoesie & Musik - Art-Lecture

Elke Schipper, Günter Christmann

Im Aufhorchen und Aushorchen liegen die Impulse lautpoetischen Arbeitens. Das Wahrnehmen und Transformieren der Raster und Mixturen des Gesprochenen machen auch hörbar, was nicht gesagt worden ist, lassen die Sprache sich mitteilen über die Grenze hinaus, an der im üblichen Sprachgebrauch ihre Botschaft aufhört.
Wo endet die eine Sinnhaftigkeit der Sprache an der anderen, für die andere?
Die Neugier auf alles vor unserem Ende lässt uns angesprochen sein, von den Faltungen eines bedruckten Papiers ebenso wie von der Rede der Musik, dieser anderen Kraft der Lautpoesie. Wo hört die Poesie auf, wo hört die Musik auf in der archaischen Verständigung der beiden?
Die Ober- und Unterschwingungen des Meinens eines Wortes und die vorsprachlichen Kräfte der menschlichen Artikulation sind eine künstlerische Selbstherausforderung, die stets aufs Neue an das Ende von Material und Vermittelbarkeit stoßen lassen und damit das Maß des Aufhörens vorantreiben.

Nachtvorstellung, 23 Uhr

Endstation Sehnsucht
(A Streetcar Named Desire, Tennessee Williams)
Kamera: Harry Stradling
Musik: Alex North
Regie: Elia Kazan
Darsteller: Vivien Leigh, Marlon Brando, Kim Hunter, Karl Malden, Rudy Bond, Nick Dennis
USA 1951, 127 Minuten

Die Lehrerin Blanche Dubois (V. Leigh) versucht, mit Alkohol ihre Vergangenheit zu vergessen. Ihre Schwester nimmt sie auf. Zwischen dem Ehemann der Schwester und Blanche kommt es zu Auseinandersetzungen, die in einer Vergewaltigung gipfeln. Vivian Leigh bekam für diese Rolle den Oscar.

 

 

 

 

 


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Pfingstmontag 16. Mai

10 Uhr

Die Illusion des Endes
Grace Yoon
multimediale Inszenierung, ein Remix (UA Dezember 1999, WDR)

„La morte si sconta vivendo“, den Tod büßt man lebend ab. In seiner Determination als nicht nachvollziehbares Ereignis scheint das unabwendbare irdische Schicksal allgegenwärtig, dabei nicht mal den Anfang vor Augen. Die Sage vom Raub des Tithonos, sein Verlust von Jugend und ewiger Schönheit trotz erlangter Unsterblichkeit bilden vor dem Hintergrund des gleichnamigen Werks von Jean Baudrillard das Fundament für die multimediale Performance.

Diskussion, 11 Uhr

Es ist leichter, sich auf das Nichts
einzulassen als auf das Ende.
Dr. Albrecht Ohly, Christian Frodl, Dr. Melanie Lücking, Stephanie Struthmann, Eva-Maria Stiegler, Reinhard Körting, Christian Staubesand

Das Thema Sterbehilfe ist brisant und das mit Recht. Es geht um mehr als um ein Medienspektakel. Eine der wichtigsten gesellschaftlichen Fragen wird berührt: Darf der Mensch über seine Lebenszeit oder die von anderen verfügen?
Es ist oft eine Frage der Prinzipien, welche Ansicht von wem vertreten wird. Eine Vielzahl von berechtigten Meinungen kursieren. Um eine Diskussionsgrundlage zu schaffen, werden ethische, medizinische und soziologische Aspekte beleuchtet, die im Plenum erörtert werden können.

 

 

 

 

 

 


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Veranstaltungsort:

Carl Orff Auditorium
Luisenstr. 37a

U2 Königsplatz

Gesamtkarte 25 €, ermäßigt 15 €
Tageskarte 15 €, ermäßigt 10 €

Karten an der Veranstaltungskasse

Informationen und Reservierung:
Pfingstsymposion
c/o Ulrike Trüstedt
Agnesstr. 39
80798 München

Tel: 089/ 272 18 56
ulrike.truestedt[at]pfingstsymposion.de

 

 

 



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KünstlerInnen und ReferentInnen

Günter Christmann
Avantgarde-Musiker, Langenhagen/Hannover
Christian Frodl InteressenGemeinschaften Kritische Bioethik Deutschland
Prof. Peter Gülke Dirigent, Musikwissenschaftler, Berlin
Reinhard Körting PMedien, München
Dr. Philipp Laubach-Kiani Literaturwissenschaftler, München
Dr. Melanie Lücking Moraltheologin, Pastoralreferentin, München
Dr. Gisela Nauck Musikwissenschaftlerin, Herausgeberin der Zeitschrift „Positionen. Beiträge zur neuen Musik“, Berlin
Dr. Albrecht Ohly Internist, Aufbau und Leitung der Intensivstation am Schwabinger Krankenhaus bis 2003, Vorsitzender des Christophorus Hospiz Vereins München
oktopus ensemble für musik der moderne hochschule für musik und theater münchen
Elke Schipper Lautpoetin, Literaturwissenschaftlerin, freie Autorin, Langenhagen/Hannover
Gunther Sprengel Biochemiker, München
Christian Staubesand freier Journalist, München
Eva-Maria Stiegler Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben, München
Stephanie Struthmann Hebamme, München
Ingrid White Atemtherapeutin, München
Grace Yoon Autorin, Regisseurin, München

 




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Mit freundlicher Unterstützung:

Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Kulturreferat der Landeshauptstadt München
E.on Energie
Siemens Arts Program
Objektiv TV Thomas Ebner
Privatmäzene

In Zusammenarbeit mit:
Hochschule für Musik und Theater München und
Echtzeithalle e. V., Träger des Pfingstsymposions


 




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Konzept und Realisation Ulrike Trüstedt
 
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